Um es gleich vorweg zu sagen: Ich kenne das Browserspiel nicht! Entsprechend unvoreingenommen bin ich auch an das Spiel rangegangen. Naja, so ganz stimmt das auch nicht, denn schließlich bin ich ein großer Fan der Rosenberg-Spiele.
Ich hatte eine gewisse Skepsis gegenüber dem Spiel: Ravensburger hat schließlich für seine komplexen Vielspieler-Spiele den Ableger Alea, und der war nun gerade nicht für Farmerama zuständig. Viele Vorankündigungen gingen dann auch davon aus, dass es sich bei Farmerama um ein seichtes, familientaugliches reines Funspiel handeln würde. Einzig der Autor Uwe Rosenberg passte in dieses Schema nicht so recht rein und so beschloss ich, das Risiko eines Blindkaufs einzugehen. Ich habe es nicht bereut!
Uwe Rosenberg hat meines Erachtens tatsächlich den Brückenschlag zwischen Vielspielern und Wenig- und Familienspielern geschafft und ein (etwas anspruchsvolleres) Familienspiel entwickelt, dass auch für Vielspieler durchaus interessant sein dürfte.
Worum geht es bei Farmerama? Wir betreiben einen Bauernhof. Wir bauen Futterpflanzen an, ernten diese, füttern damit unsere Tiere und kassieren Sternchen (Siegpunkte), wenn diese dann verwertet werden (Wolle für Schafe, Milchprodukte für Kühe, Reitstunden für Pferde etc.). Ganz nebenbei betreiben wir auch noch einen Ziergarten, der auch noch in der Endabrechnung nicht zu verachtende Siegpunkte einbringt.
Bevor wir aber mit dem Spielen beginnen können ist Bastelarbeit angesagt. Zuerst muss das "Aktionsrad" zusammengebaut werden; anschließend sind die "Spielerräder" auf den vier Spielertableaus zusammenzubauen. Aber keine Angst: Das geht kinderleicht!
Dann wird das Spiel aufgebaut. Dazu wird ein Aufbauplan mitgeliefert. Jeder Spieler erhält ein Tableau (mit Spielerrad), einen Ziergarten, eine Siegpunkteanzeigetafel, vier Tierfiguren (ein Pferd, eine Kuh, ein Schwein und ein Schaf) und für die eigene Scheune (also der persönliche Vorrat) Futterpflanzen (2 Heu, 2 Hafer, 2 Möhren und ein Mais) sowie drei Wasserplättchen. Einige Felder auf dem Spielertableau werden dann noch mit Futterpflanzen bestückt. Außerdem erhält jeder Spieler einen identischen Aktionskarten-Satz, bestehend aus 5 Karten mit den entsprechenden 5 Aktionsmöglichkeiten.
Das Aktionsrad zeigt an, wieviele Aktionen ich in der aktuellen Runde für die Aktionen Aussähen, Ernten oder Wasser durchführen kann. Wähle ich z.B. die Aktion "Ernten" und das Aktionsrad zeigt an, dass ich für diese Runde 4 x ernten darf, dann hab ich für diese Runde 4 x die Möglichkeit, zu ernten (dazu später mehr). Das Aktionsrad wird zum Ende einer jeden Runde weitergedreht, so dass in jeder Runde andere Optionen möglich sind.
Zuerst wählt jeder Spieler verdeckt (!) anhand seiner Aktionskarten die Aktion aus, die er gerne in dieser Runde ausführen möchte. Dann werden die verdeckt ausgespielten Karten aufgedeckt. Haben mehrere Spieler die gleiche Aktion ausgespielt, werden die begehrten Zierbauten für den Ziergarten vergeben. Diese bringen Belohnungen und am Ende des Spiels Siegpunkte ein. Wer bekommt nun diese Zierbauten? Hier wird anhand einer Checkliste (als Spielhilfe für jeden Spieler vorhanden) entschieden. Wer hat die bisher wenigsten Zierbauten? Bei Gleichstand: Wer hat die meisten sichtbaren Vogelscheuchen auf seinem Spielplan (können durch die Aktion "Aussähen" verdeckt werden)? usw.
Wer eine ALLEINIGE Aktion ausgewählt hat, darf nun die größere Anzahl an Aktionen lt. Aktionsrad durchführen (praktisch als Ausgleich dafür, dass er bei der Vergabe der Zierbauten leer ausgegangen ist). Die Spieler mit den gleichen Aktionen haben nur die niedrigere Anzahl an Aktionen zur Verfügung.
Die Aktionen im Einzelnen:
1. Aussähen:
Je nach Aktionsradsanzeige darf ich 2x oder 3x oder sogar 4 oder 5x Aussähen. Dazu nehme ich Futterpflanzen aus meinem Vorrat und lege eine Pflanze (z.B. eine Möhre) auf ein freies Feld. Jetzt kommt das "Spielerrad" ins Spiel: Ich darf Möhren z.B. nur in dem Bereich anpflanzen, die vom Spielerrad auch angezeigt werden. Ebenso Hafer, Heu oder Mais. Da ich das Spielerrad JEDERZEIT gegen Abgabe von Wasser drehen kann, darf ich mir also auch die Möhrenanzeige auf ein Bereich mit freien Feldern drehen und dann aussähen. Dort, wo ich EINE Möhre (oder Mais oder Hafer oder Heu) hinlege, wird sofort aus dem Vorrat eine gleiche weitere Futterpflanze draufgelegt. Dieser Mechanismus ist auch aus "Agricola" bekannt. Ich darf die Anzahl der mir für diese Runde zur Verfügung stehenden Aussäh-Aktionen natürlich auf beliebige Futterpflanzen verteilen. Hab ich z.B. 4 Aussäh-Aktionen, dürfte ich z.B. 2 x Möhren, 1 x Mais und 1 x Heu (oder wie auch immer) aussähen. Dies hängt immer auch davon ab, welche Pflanzen ich in meiner Scheune hab und welche Pflanzen ich aufgrund der Aussäh-Anzeigen meines Spielerrades wo aussähen darf. GGf. muss ich, wie oben erwähnt, Wasserplättchen opfern, um mein Spielerrad passend in die Bereiche zu drehen (dies gilt nachher übrigens auch für die Aktionen "Ernten" und "Füttern").
2. Ernten:
Auch hier ist die Anzeige auf dem Aktionsrad entscheident, wieviele Aktionen ich hier zur Verfügung hab. Und auch hier kann ich mein Spielerrad so steuern (wenn ich genügend Wasserplättchen hab!!!), dass ich optimal ernten kann. Ich darf nämlich nur Felder ernten, die durch das Spielerrad als Erntefelder ausgewiesen werden. Ernten heißt, dass ich mir pro Feld die darauf liegenden Pflanzen (sind pro Feld immer zwei gleiche) in meinen Vorrat nehmen darf. Pro Aktion, die ich lt. Aktionsrad zur Verfügung habe, darf ich ein Feld abernten (bei drei Aktionen also beispielsweise drei Felder).
3. Wasser:
Das Aktionsrad zeigt an, wieviel Wasserplättchen ich mir in dieser Runde nehmen darf. Wasser ist, wie schon erwähnt, wichtig, um das Spielerrad entsprechend passend zu drehen (und glaubt mir: das ist seeeehr wichtig im Spiel! Man kann gar nicht genug Wasser haben; man hat immer zu wenig!).
4. Füttern:
Auf dem Spielerrad sind 4 Tiere abgebildet. Ich kann nun mit den Futterpflanzen in meiner Scheune (meinem Vorrat) mein Pferd, Schaf, Schwein oder Kuh entsprechend des auf dem Spielertabelau angegebenen Schlüssels füttern und dieses gefütterte Tier dann auf die Weide stellen, auf das mein Spielerrad mit der entsprechenden Tierabbildung gerade steht (oder aber ich drehe das Spielerrad auf die gewünschte Weide; womit noch einmal verdeutlicht werden soll, wie wichtig Wasser in dem Spiel ist!). Gefüttert wird unterschiedlich: das Schwein frisst z.B. 3 Möhren und 2 Hafer (oder so ähnlich), während die Kuh Mais und Hafer frisst und das Pferd Heu und Mais usw. Ich darf soviel füttern, wie ich will. Wenn meine Scheune aus allen Nähten platzt, kann ich durchaus versuchen, alle vier Tiere gleichzeitig zu füttern und auf die Weide zu stellen (das ist mir allerdings bisher noch nie gelungen).
Ganz wichtig: Wann kommt nun ein Tier in die Wertung (wann gibt´s Sternchen)? Jederzeit, wenn der auf dem Spielerrad aufgedruckte "Schnuller" auf dem Feld mit der Weide ankommt, auf dem das entsprechende Tier steht. Das Tier kommt dann zurück in den Stall (und kann in den nächsten Runden erneut gefüttert werden) und bringt sofort die in der Punktetafel angegebenen Punkte (man zieht den Punkteanzeiger um eine Stufe höher).
5. Sämerei:
Nun kann es vorkommen, dass man in seiner Euphorie alle Futterpflanzen verfüttert hat und auch kein entsprechender Ersatz auf den Feldern mehr liegt. Was nun? Hier hilft die Aktion "Sämerei". Jede Futterpflanze, die sich NICHT in meiner Scheune befindet (einschließlich Wasser!) darf ich mir ein Mal aus dem allgemeinen Vorrat nehmen. Anschließend darf ich genau ein Mal aussähen.
Rundenende:
Nachdem jeder Spieler seine Aktionen ausgeführt hat, wird "ausgemistet". Das Aktionsrad wird um eins weitergedreht. Neue Zierbauten werden aufgedeckt. Jeder nimmt wieder alle Aktionskarten in die Hand. Und weiter gehts in die neue Runde mit verdeckter Auswahl der Aktion...
Spielende:
Wenn keine Zierbauten mehr vergeben werden können! Dann wird gerechnet: Alle Sternchen laut Wertungstafel + alle Punkte des eigenen Ziergartens + alle noch auf den Weiden befindliche Tiere + alle noch auf den Äckern oder in der Scheune verbliebenen Futterpflanzen = Gesamtpunktzahl. Wer die meisten Punkte hat, der ist natürlich der Sieger.
Fazit:
Was sich hier vielleicht ein wenig kompliziert anhört, ist aber von den Regeln her wirklich ganz leicht. Der Einstieg in das Spiel ist nach wenigen Minuten möglich, die Mechanismen sind in sich schlüssig und logisch. Das Spielmaterial ist mir persönlich ein wenig zu kaugummibunt und zu kindlich, aber das ist Geschmacksache. Außerdem war hier wohl die klare Vorgabe des Browserspiels zu beachten.
Einige Mechanismen (Aussähen, Ernten) kennt man aus "Agricola". Farmerama ist aber bei Weitem nicht so komplex und somit auch und gerade für Familien gut geeignet. Da aber doch einiges zu beachten ist (wie sähe ich optimal aus, wie ernte ich optimal, um optimal füttern zu können, wie komme ich an die begehrten Zierbauten, ohne zuviel Aktionen zu verschenken, reicht das Wasser aus, um das Spielerrad optimal verschieben zu können etc.), sollten die mitspielenden Kinder nicht all zu klein sein. Ich würde es als ein etwas anspruchsvolleres Familienspiel bezeichnen, dass auch noch als Profivariante mit noch mehr Tiefgang für die Fortgeschrittenen gespielt werden kann.
Das Spiel kommt fast ohne Glückselemente aus und ist somit auch für Vielspieler und Strategen interessant!
Interaktion kommt auf beim Kampf um die Zierbauten. Hier müssen die Mitspieler ganz genau beobachtet werden. Meistens ist klar, ob der Mitspieler in der nächsten Runde ernten oder füttern oder aussähen will. Hab ich dann weniger Zierbauten als mein Mitspieler oder gar mehr freie Vogelscheuchen, und liegt ein interessanter Zierbau mit hohem Punktewert aus, dann versuche ich, die gleiche Aktion, wie mein Mitspieler auszuspielen. Will dieser aber verhindern, dass ich den Zierbau bekomme, dann wird er etwas unberechenbares tun und eine völlig andere Aktion ausspielen. Dabei muss er wiederum beachten, dass er mit dieser Aktion auch etwas sinnvolles anfangen kann.
Ansonsten baut aber jeder für sich auf seinem Tableau. Es gibt keine Möglichkeiten, die Strategie des Gegenspielers zu beeinflussen, ihn zu stören oder ähnliches. Dies führt logischerweise auch dazu, dass Farmerama auch solo gespielt werden kann. Dazu hat Uwe Rosenberg einige Regelmodifikationen vorgenommen: Die Zierbauten für den Ziergarten fallen im Solospiel komplett weg und das Aktionsrad wird etwas anders gesteuert. Es macht aber auch solo großen Spaß und die Vorgabe von 150 Punkten (und das auch noch OHNE Ziergarten!) zu erreichen ist gar nicht so einfach!
Alles in allem ein kurzweiliges, spannendes, durchaus auch lustiges und vor allem Spaß machendes Spiel. Nicht ganz 6 Punkte, aber sehr sehr gute 5 Punkte ist das Spiel wert! Danke Uwe Rosenberg für dieses Spiel; auf Dich ist echt Verlass!!!
Matthias hat Farmerama klassifiziert.
(ansehen)