"Express 01" ist das erste Projekt der Spieleschmiede, einer Initiative der Spiele-Offensive, bei der Netzwerkmitglieder einen finanziellen Beitrag geleistet haben, um das Spiel überhaupt auf den Markt zu bringen. Den aktiven Schmieden wurde in der vergangenen Woche das Spiel bereits zugeschickt, so dass ich bereits heute eine Rezension schreiben kann für die, die sich für das demnächst im Handel befindliche Spiel interessieren.
[Meine Erfahrung beruht dabei auf zwei Partien zu zweit, das Spiel ist für 2-4 Spieler geeignet - wie sich das Spiel bei drei oder vier Spielern entwickelt, kann ich also nur anhand der bisherigen Zwei-Spieler-Erfahrungen vermuten!]
Das Spiel besteht zu 90% aus Karten, die aus extrem starkem Karton sind - dadurch sind die Karten etwas schwerer zu mischen, aber für den Tastsinn ein völlig ungekanntes und qualitativ hochwertiges Erlebnis! ;-)
Durch ein spezielles Stecksatzsystem entstehen insgesamt zwölf (!) Kartenfächer, mit Spielkarton sowie Innenleben bin ich rundherum glücklich!
Zusätzlich gibt es vier Holzlokomotiven (eine für jeden Mitspieler, um jeweils zu Rundenbeginn den eigenen Punktestand zu ermitteln) und ein Holzstäbchen, das erst in der (im Grundspiel bereits enthaltenen!) USA-Erweiterung benötigt wird. Jeder Mitspieler erhält außerdem ein Tableau, auf dem er den Punktestand mit oben erwähnter Lokomotive markiert. In der Mitte des Tableaus sind die Aktionsmöglichkeiten je eigenem Spielzug mit stichwortartigen und prägnanten Erläuterungen angegeben, was gerade zu Beginn des Spiels eine große Hilfe darstellt.
Da ich als einer der Ersten dieses Spiel in Händen halten durfte, konnte ich auf keinen Erklärbären zurückgreifen und musste mich selbst durch die Anleitung wühlen. Das Video wäre eine Option gewesen, ich wollte mich jedoch zuerst ausschließlich an der Anleitung versuchen. Nach zweimaligem Lesen gab es keine nennenswerten Fragen zum Spielablauf mehr, so dass ich das Spiel bereits vor der ersten Partie meinem Mitspieler gut erklären konnte - ein dickes Lob dafür an den/die Autoren der Anleitung, das war eine sehr gute Arbeit meiner Meinung nach!
Wie so oft liegt die Tücke des Spiels also nicht in den Regeln, sondern erst in der Umsetzung der taktischen Möglichkeiten - und hier hat mich das Spiel einmal mehr erstaunt.
Zunächst liegen Karten so aus, dass sie die Landmasse von Deutschland (bzw. in der enthaltenen Erweiterung den USA) grob widerspiegeln. Diese Karten sowie deren Anordnung sind vorgegeben und gut "ausgeschildert" durch ihre Nummern oben links auf der Karte.
Der Startspieler bestimmt mit seinem ersten Zug den Startbahnhof. Von diesem Punkt aus werden nun alle Spieler nacheinander Strecken und weitere Bahnhöfe anlegen, sodass das ausliegende Gebiet Stück für Stück erschlossen und ein bereits erschlossenes Gebiet noch verbessert wird.
Dazu wählt man in jedem Spielzug aus drei *Aktionspaaren* eines aus, d.h. man führt in seinem Zug immer genau zwei Aktionen aus, kann aber aus drei Möglichkeiten wählen, die jeweils diese beiden Aktionen vorgeben. Aktionspaar 1 und Aktionspaar 2 sind dabei identisch, nur in der Reihenfolge umgekehrt:
1.
*Streckennetz ausbauen und Anteile erwerben*... oder
2.
*Anteile erwerben und Streckennetz ausbauen*.
(Wann welche der beiden Zugvarianten sinnvoller ist, erschließt sich dem Spieler sehr schnell.) Das dritte Aktionspaar besteht aus dem
3.
*Auslösen einer Prämienzahlung sowie der Positionsveränderung*,
wobei Letztere lediglich die Reihenfolge verändert, in der die Spieler ab der nächsten Runde am Zug sind.
Besonders interessant am Spielmechanismus ist, dass der Spieler beim Ausbau des Streckennetzes entweder zwei Strecken ohne Bahnhöfe legen darf oder einen Bahnhof - und jede Strecke sowie jeder Bahnhof zweimal erweitert (d.h. mit einer Karte aus einem bestimmten Nummernkreis überbaut) werden kann. (Auch) dieses Überbauen gilt dabei wie ein normaler Streckenausbau als eine Aktion, und gerade Richtung Ende des Spiels können dadurch erdrutschartige Veränderungen erzielt werden, wenn man z.B. die Farbe eines Bahnhofs durch Überbauen verändert. Da die ersten beiden Aktionspaare auch mehrfach innerhalb des eigenen Spielzugs ausgeführt werden dürfen, kann man sich nie sicher sein, am Ende wirklich vorne zu liegen, auch wenn man im Moment noch wie der sichere Sieger aussehen sollte - denn abgerechnet wird einzig und allein zum Schluss! (Die erwähnten "Zwischenwertungen" mit den Lokomotiven bestimmen lediglich, wer die Sonderkarte "Schwarze Lok" im nächsten Spielzug erhält und einsetzen darf, um z.B. eine Aktion günstiger durchführen zu können als die anderen.)
Die Karten dienen dabei als Zahlungsmittel, als Strecke oder als "Aktie" an einer Eisenbahngesellschaft(sfarbe).
Was mich besonders begeistert hat, ist, dass Bahnhöfe unter Umständen durch das Überbauen ihre Farbe wechseln und damit Aktien auf einen Schlag wertvoller oder wertloser machen können - spätestens hier sollte man sich die beiden ersten Aktionspaare noch einmal genau anschauen und gut überlegen, ob man erst Anteile erwerben möchte oder erst den Bahnhof in dieser Farbe (über-)baut!
Das Spiel bietet aus meiner Sicht für beinahe jeden Spielertyp (besonders Gelegenheits- und Vielspieler, mit Erklärbären eventuell auch Wenigspieler) etwas:
Man kann blind drauflosspielen und einfach Spaß daran haben, die Strecke und Bahnhöfe entstehen zu sehen, oder man kann taktisch klug vorgehen, sich Vorteile verschaffen und den/die Gegner behindern... man sollte sich aber im Klaren sein, dass der Gegner Gleiches versuchen wird! ;-)
Nicht empfehlen würde ich lediglich Partien, in denen Strategen oder Taktiker auf Spaßspieler treffen, hier könnten "Gewiefte" meines Erachtens den anderen den Spaß am Spiel schnell verderben.
Auch wenn ich bisher lediglich Partien zu zweit bestritten (und Lust auf weitere) habe, wird das Spiel garantiert mit drei oder vier Spielern am Tisch noch größere Herausforderungen bieten - es wird zwar deutlich schwerer zu planen sein, weil sich die Verhältnisse schneller ändern (können), bis man wieder am Zug ist, aber auch noch spannender, sich nichtsdestotrotz gegen die Mitspieler durchzusetzen.
Meines Erachtens wird dieses Spiel nicht in meinem Schrank verstauben, sondern immer wieder auf den Tisch kommen, was nicht (nur) daran liegt, dass es sich um das erste (und gleich) erfolgreich abgeschlossene Projekt der Spieleschmiede handelt!